Ob du für dich selbst Karten legen kannst – sollst – darfst oder nicht, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige vertreten die Ansicht, dass du auf keinen Fall für dich die Karten legen darfst, andere legen nur für sich die Karten und nicht (auch) für Klienten und viele legen für sich und andere.
Ich bin der Meinung, dass du das Potenzial von Tarot nicht völlig ausschöpfst, wenn du die Karten nicht für dich legst. Du hast ein Tool an der Hand, das wunderbar dazu geeignet ist, dich selbst besser kennenzulernen und warum solltest du es nicht nutzen?
Wenn du dir selbst Karten legst, kannst du in vielerlei Hinsicht davon profitieren.
Du lernst, in Kontakt mit deiner Intuition zu kommen
Ich habe schon einige Male darüber gesprochen, dass jede*r intuitiv ist, egal wie verkopft. Ich nehme mich da auch nicht aus, aber jeder Mensch hat diese Gabe und das hat nicht unbedingt etwas mit übersinnlichen Kräften zu tun, sondern viel mit unseren Instinkten und Erfahrungen.
Wenn dich das berühmte Bauchgefühl in einer Situation warnt, dann ist es häufig der Fall, weil du schon einmal eine ähnliche Situation erlebt hast. Diese Erfahrungen – und meiner Meinung nach auch die Erfahrungen aus dem kollektiven Unterbewusstsein – sind bei dir im Unterbewusstsein abgespeichert.
Tarot arbeitet mit Bildern und damit hast du einen direkten Draht zu deinem Unterbewusstsein.
Die Bilder lösen gewisse Gefühle aus und je nachdem, in welcher Stimmung oder in welcher Situation du dich befindest, nimmst du diese Bilder unterschiedlich wahr. Sie spiegeln dich und deine aktuelle Lage wider.
Je nachdem, was gerade bei dir passiert, fallen dir Details auf oder du erkennst dich in einer Person auf der Karte wider.
Auf dieser Weise bekommst du den Spiegel vorgehalten und kannst besser erkennen, was gerade in dir vorgeht, was dir dein Bauchgefühl sagen will, welche Botschaft deine Seele gerade für dich hat.
Du lernst die Karten immer besser kennen
Gerade am Anfang hast du keine oder sehr wenig Klienten. Ehrlich gesagt würde ich auch nicht wirklich mit Menschen arbeiten wollen, wenn ich selbst keine Erfahrung mit den Karten habe. Ich habe traditionelle Wahrsagekarten und Lenormandkarten und habe mich damit auch schon ein wenig beschäftigt. Dennoch verwende ich sie nicht in der Arbeit mit Klient*innen, sondern nehme dazu die Tarotkarten, weil ich sie viel besser kenne.
Wenn du gerade mit einem System anfängst, ist es meiner Meinung nach unumgänglich, dass du die Karten gut kennst. Damit meine ich nicht, ihre Bedeutungen auswendig zu lernen, sondern mit ihnen zu arbeiten, am besten täglich. Nur mit Übung kommt Routine und eine gewisse Sicherheit.
Wenn du unterschiedliche Legesysteme verwendest, dann hängt die Bedeutung der Karte auch immer bis zu einem gewissen Grad von ihrer Position ab. Da helfen dir stur auswendig gelernte Schlagwörter nicht weiter, wenn du die Karten im Zusammenhang deutest.
Eine kleine Legung kannst du jeden Tag für dich machen. Das kann eine Tageskarte sein oder mein Favorit mit 3 Karten: Das sollst du tun – Das sollst du lassen – Damit sollst du weitermachen.
Wahrscheinlich triffst du nicht jeden Tag lebensverändernde Entscheidungen, bei denen du zur Unterstützung die Karten legst, aber du kannst dennoch üben. Lege doch einmal deiner Lieblingsfigur die Karten.
Du nimmst dir Zeit für dich
Für mich ist das Ziehen der Karten oder eine Legung immer eine kleine Auszeit. Oft zünde ich mir eine Kerze an und verwende ätherische Öle. Es ist kein aufwändiges Ritual, aber ich stelle mich dann schon fast automatisch auf die Karten ein. Es ist einfach eine Konditionierung, genauso wie wenn du beim Pling auf das Handy schaust, welche Nachricht gekommen ist oder du automatisch losgehst, wenn die Ampel auf Grün springt.
Wenn ich Karten für mich lege, ist einfach meine Zeit für mich, um mich zu zentrieren, auszurichten, meine Gedanken zu sammeln und zu reflektieren.
Es unterbricht den Alltag und ist eine kleine Oase, die für mich einfach wichtig ist.
Du siehst die Dinge aus einer anderen Perspektive
Gerade wenn es um Entscheidungen geht, dann können dir die Karten helfen, eine Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Das gibt dir wiederum andere Perspektiven, an die du sonst vielleicht nicht gedacht hast. Die Karten lenken mit ihren Bildern und Symbolen deine Gedanken aus deinem eigenen Sumpf heraus und zeigen dir Alternativen.
Ich hatte einmal eine Kundin, die sich selbständig machen wollte, aber noch keinen wirklichen Plan hatte. Sie war einfach nur von ihrer Arbeit genervt und die schönen Versprechungen auf Facebook & Co. waren für sie sehr attraktiv. Doch mit Hilfe der Legung hat sie erkannt, dass hinter diesem Projekt doch mehr steckt und es auch massive Auswirkungen auf ihr soziales Leben haben würde.
Die Drei der Schwerter, die Karte mit dem durchbohrten Herzen, in Kombination mit u.a. der Zwei der Schwerter, bei der eine Frau mit verbundenen Augen zwei Schwerter in der Hand hält, hat den Ausschlag gegeben, dass sie sich etwas mehr Zeit lassen und sich weiter informieren wollte, statt alles über das Knie zu brechen. Ihr wurde bewusst, dass sie etwas opfern muss und noch nicht wirklich klar sieht.
Ich finde es immer wieder hilfreich, mit zwei oder drei Archetypen oder Hofkarten in Dialog zu gehen, die komplett unterschiedliche Positionen vertreten. Ich stelle mir dann vor, dass ich z.B. mit der Herrscherin, dem Wagen und dem Narren am Tisch sitze, mich mit ihnen unterhalte und mir anhöre, was sie zu sagen haben.
Du bekommst ein besseres Verständnis für deine inneren Prozesse
Schattenarbeit ist in aller Munde und der Begriff „Schatten“ in der Analytischen Psychologie von Jung bezieht sich auf die dunklen und oft negativen Aspekte unserer Persönlichkeit, die wir normalerweise verbergen, unterdrücken oder nicht akzeptieren. Das können sowohl dunkle Triebe und unakzeptierte Fehler sein, z.B. Aggression, Neid, Angst, Streben nach Macht, Egoismus.
Dieser Schattenanteil enthält diejenigen Eigenschaften, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die wir als unangemessen, unakzeptabel oder unerwünscht betrachten.
Ziel der Schattenarbeit ist, diese Schatten zu erkennen, sie zu integrieren und so Frieden mit dir selbst zu schliessen. Auch hier können dir die Karten, wenn du sie für dich selbst legst, helfen, Muster zu erkennen und sie in Zukunft zu vermeiden, weil sie dir bewusst geworden sind. Erst wenn du weisst, auf was du achten musst, kannst du es vermeiden.
Wenn du nur immer wieder in dasselbe Verhalten fällst, es dir aber schwer fällt, die Auslöser zu erkennen, kannst du mit Tarot „Ursachenforschung“ betreiben, denn in meinem Verständnis sind die Karten ein Tor zu deiner Seele.
Wenn du durch dieses Tor gehst und dich mit dir selbst verbindest, kannst du herausfinden, wo der Trigger ist und woher er kommt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass du nicht mehr in dieselbe emotionale Falle tappst. Es kann Zeit brauchen und auch nicht beim ersten Mal funktionieren, aber du wirst dir dessen immer bewusster und handelst bewusst anders. Irgendwann wird dir das neue Verhalten in Fleisch und Blut übergegangen sein.
Du hast Unterstützung in schwierigen Phasen
Ganz ehrlich, mir geben die Karten auch Hoffnung und Zuversicht, wenn es mal nicht so gut läuft. Wenn z.B. das Rad des Schicksals kommt, dann erinnere ich mich wieder daran, dass nichts von Dauer ist und das Leben in Zyklen verläuft. Auf und Abs sind völlig normal und es wird wieder aufwärts gehen, auch wenn die Tage mies sind.
Auch die Zehn der Schwerter ist im Grunde so eine Karte. Selbst wenn es mir schlecht geht, es wird wieder einen Sonnenaufgang geben. Es hat sicher einen Sinn, dass ich jetzt in der Sch* stecke und selbst wenn ich den Sinn nicht sehe, heisst es nicht, dass er nicht da ist.
Und vielleicht ist andere Karte die Neun der Schwerter und ich muss einfach nur hinschauen, aufhören, meine Augen zu verschliessen, um zu erkennen, dass die Schwierigkeiten entweder nur in meinem Kopf sind oder gar nicht so gross sind, wie ich sie mache.
Gerade weil die Karten die ganze Bandbreite des Lebens abbilden, können sie mir den Kopf etwas zurechtrücken und meine in einem Moment verzerrte Wahrnehmung ausgleichen.
Zudem können sie mir auch konkrete Handlungstipps geben, wie ich aus meiner Misere herauskomme. So sagt mir die Sieben der Scheiben, dass ich Geduld haben muss oder der Magier, dass ich meinen Fokus ausrichten soll. Die Zehn der Stäbe ermutigt mich, mir Unterstützung zu holen usw.
Wenn du in der Tinte sitzt und dein Blick verstellt ist, dann siehst du oft die einfachsten Dinge nicht. Hier können dir die Karten eine Unterstützung geben und dir helfen, dich wieder auf die Beine zu stellen.
Du bekommst eine emotionale Distanz zu deinen Problemen
Manchmal stecken wir ganz schön in unserem Drama, egal, wie weit wir auf unserer Reise gekommen sind. Das ist völlig normal und kein Grund, sich auch noch deshalb schlecht zu fühlen. Wir sind Menschen und ich zumindest habe noch nicht den Status der Erleuchtung und des absoluten Gleichmuts erreicht, auch wenn ich schon besser geworden bin.
Es gibt immer noch ab und zu Tage oder Ereignisse, die mich aus dem Gleichgewicht bringen und die Karten helfen mir dabei, mit einer gewissen Distanz auf das Drama zu schauen.
Erst einmal sind sie nicht ich und ich kann das, was sie mir zeigen, zunächst neutral betrachten. Was sehe ich auf der Karte? Was passiert da und wer ist beteiligt? Es ist nicht in mir, sondern außerhalb von mir. Das schafft erst einmal Abstand. Ich atme einige Male tief durch und betrachte, was ich sehe, ohne zunächst einmal zu deuten.
Ich sehe einen Mann auf einem grünen Hügel. Er hat schwarze Haare und trägt eine grüne Tunika über einem gelben Hemd. Seine eng anliegende Hose ist orange. Er hat unterschiedliche Schuhe an. Er hält einen Stock in den Händen. Vor ihm ragen weitere sechs Stäbe auf. An den Stöcken sieht man kleine grüne Blätter.
Dieser Fokus auf das objektiv Sichtbare bringt mich herunter und fokussiert mich. Damit gehe ich auch aus den Emotionen heraus.
Im nächsten Schritt, wenn ich auf diese Weise etwas ruhiger geworden bin, kann ich in die Deutung gehen und reflektieren, was die Karte mit mir und meiner Situation zu tun hat.
Karten für dich selbst zu legen hat auch Grenzen
Wenn Kartenleger es ablehnen, für sich selbst zu legen, ist das häufigste Argument: Du kannst dir selbst gegenüber nicht objektiv sein. Dem stimme ich zu, aber das ist für mich kein Grund, auf Tarot als Begleiter zu verzichten.
Die Karten geben mir einen Blick über den Tellerrand und zeigen mir neue Möglichkeiten. Aber ich sehe das dennoch immer durch meine eigene Brille. Ich kann versuchen, möglichst viel Abstand zu bekommen, aber zu 100% wird mir das nicht gelingen. Die Frage ist: muss es das denn auch immer sein? Oft genug geben mir die Karten einen mehr oder weniger deutlichen Stoss in eine Richtung und das gerne auch wiederholt. Ich bin jedoch diejenige, die entscheidet, was sie tut und was nicht.
Bei wirklich wichtigen Fragen – oder wenn du es für nötig hältst – macht es daher durchaus Sinn, eine andere Person hinzuziehen und dir die Karten legen zu lassen. Es ist ein im besten Fall unverstellter Blick, denn die Person kennt dich nicht oder nicht so gut wie du dich selbst.
Vorsichtig wäre ich, wenn mir eine Freundin die Karten legen würde, denn da ist oft auch eine gewisse Befangenheit da oder der Wunsch, nicht zu verletzen. Hier kann daher auch die Objektivität fehlen, die man bei einem Fremden hat.
Am Ende entscheidest wie immer du selbst, wie du es machst. Ich für meinen Teil möchte nicht auf Tarot in meinem Leben verzichten.
Auf was du achten solltest, wenn du dir selbst die Karten legst und wie du dich vorbereiten kannst, darüber habe ich bereits in der Episode 16 gesprochen.
Hinweis: Rider-Waite-Smith-Deck, gemeinfrei, weil die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
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